Ein Erlebnistag der Industriekultur-Saar in Göttelborn im September 2003- Früher sausten 1000 Bergleute in die Tiefe, um Kohle zu fördern.
Der Schacht der Grube Göttelborn ist mit riesigen Betonmassen verschlossen. Über Tage feiern Menschen. Das allein reicht nicht. Sie fragen aber auch nach Arbeitsplätzen, die dort entstehen sollen. Der riesige Parkplatz der Grube Göttelborn oberhalb der Kaffeeküche ist voll mit Autos. Busse fahren am Pförtnerhaus vorbei durch den Haupteingang. Aber es sind keine Bergleute drin. Die riesigen Förderräder von Schacht IV drehen sich. Aber es geht nur nach oben. Der Korb befördert Kinder, Frauen und Männer auf die 70 Meter hohe Plattform. Wer schwindelfrei ist, kann von hier oben einen herrlichen Weitblick genießen. Unter die Erde fährt hier niemals mehr ein Förderkorb. Der Schacht ist mit einer Betonmasse verfüllt.
Blasmusik erklingt. In den Pausen sind Kinderstimmen zu hören. Die Kinder lachen und toben auf einer Springburg herum oder drehen eine Runde auf dem Karussell, während die Eltern durch die Grubenanlage spazieren. Es ist wieder Leben auf der Grube Göttelborn.
Aber ein ganz anderes als früher. Als hier noch jeden Tag mehrere tausend Bergleute nach unten sausten und tief unter der Erde nach dem schwarzen Gold gruben. Direkt neben dem riesigen Schacht IV steht eine Bühne, davor viele Tische und Bänke. Getränke und Essensstände sind ringsherum gruppiert. „Feiern, wandern, entdecken, staunen.“
Unter diesem Motto lädt das Kulturprojekt Schicht-Wechsel der Industrie-Kultur Saar mit „Moving Brass“ zu einem musikalischen Erlebnistag der Industriekultur ein. Eine Blech-Attacke soll also der Grube für einen Tag wieder Leben einhauchen. Warum Blas-Kapellen? „Die haben im Saarland eine lange Tradition. Blech-Bläser gibt es auch in vielen Bergmanns-Vereinen“, sagt Paul Burgard, Pressechef von Schicht-Wechsel. Zahlreiche Musikvereine, Brass-Ensembles, Kapellen und Musiker sorgen für ein buntes musikalisches Intermezzo. Die Wackenberger Alphornbläser machen den musikalischen Auftakt von einem ungewöhnlichen Ort aus: Etwa 40 Meter hoch über der Erde, auf der ersten Plattform von Schacht IV, stehen die vier Musiker aus der Großgemeinde Eppelborn mit ihren Instrumenten. Burgard: „Wir wollen verschiedene Bereiche ehemaliger Industriekulturen den Menschen näher bringen. Deshalb haben wir die Grube Göttelborn mit dem Ausbesserungswerk (AW) Burbach verbunden.“ Eine Wanderung und eine Rad-Tour über den Netzbachschacht, die Scheune Neuhaus, Kirschheck und Von der Heydt verbinden die Grube mit den AW-Hallen. Es gibt vieles zu entdecken auf dem riesigen Gruben-Gelände. Der 59-jährige Gerd Steil aus Göttelborn kennt sich hier besten aus. 40 Jahre hat er hier gearbeitet. Und Steil staunt: Weniger über die Musik. Mehr über die Freizeitwiese und das Sonnendeck. 2000 Quadratmeter Rollrasen hat eine Gartenbaufirma verlegt und dazu noch zahlreiche Bäume aufgestellt. Keine Frage: Das sieht gut aus. Wehmütig blickt Steil auf den riesigen Förderturm von Schacht IV:_ „Als er gebaut wurde, haben wir uns Hoffnung gemacht. Wir haben geglaubt, dass nach einer solchen Investition auch unsere Kinder hier eine Zukunft haben.“
Und was hält er von dieser Veranstaltung? Steil zuckt mit den Schultern. „Schlecht ist sie nicht“, meint er. „Mir wäre es aber lieber, wenn hier Arbeitsplätze geschaffen werden.“ Auch auf der ersten Ebene der Halle von Schacht II ist grüner Rasen und sogar noch eine Boule-Bahn. Die Sonne blinzelt durch die staubigen Fenster. Susanne Wagner-Klein, ihr Sohn Fabian (sieben) und dessen Freundin Casandra (acht) haben es sich in blauen Liegestühlen bequem gemacht. „Ich finde es gut, dass man mit derartigen Aktionen den Menschen zeigt, dass man versucht, einem solchen Gelände eine neue Identität zu geben“, sagt Susanne Wagner-Klein, Draußen erklingt der Sommerhit der vergangenen Jahre „Hey Baby“. Die vier Jungs der Spaß-Brass-Band Big Feet Boys aus Wiesbaden spielen ihn. Singend und spielend marschieren die Vier durch das Gelände. Die Gaste sind begeistert. Das gefällt auch Felicitas Naumann aus Quierschied. „Feste gehören dazu“, sagt sie. Aber: Das Grubengelände dürfe nicht nur Festwiese werden. „Wo bleiben die Arbeitsplätze?“, fragt sie. Die riesige Kohlenwäsche wirkt gespenstig. Kohlenstaub rieselt herunter. Hierher verirrt sich kaum jemand. Die Straße zwischen der Kohlenwäsche und dem ehemaligen Aufbereitungs-Büro ist voll von Unkraut Das Grünzeug ist teilweise bis zu einem halben Meter hoch. Die schmale Treppe, die von der Straße zum Büro führt, ist fast ganz zugewuchert. Wenn die Gartenbauer den Roll-Rasen wieder wegrollen, können sie hier gleich weitermachen. Es gibt aber nicht nur Blechmusik an diesem Tag. Passend zum Thema Freizeit wird der schönste Picknick-Korb prämiert. Wanderungen führen über die wieder begrünten Halden. Mitglieder des Bergmannvereins Göttelborn erzählen Kindern spannende Geschichten von unter Tage. Für die kleinen Gaste gibt es in einem Zirkuszelt Unterhaltung in Hülle und Fülle. Zum musikalischen Ausklang spielt der Verein der Musikfreunde 1905 Quierschied.